AH-/Ü-Fussball in Deutschland - das Phänomen AH-Fussball
1. Überblick AH-/Ü-Fussball
Seit dem Jahr 2000 hat sich in der Deutschen Amateur-Fußballlandschaft einiges verändert. Schon in den 90er Jahren wurde die Deutsche Amateurmeisterschaft (1998) und 2010 der Amateurländerpokal für Amateurauswahlmannschaften der Bundesländer eingestellt. Beide Wettbewerbe waren bei den Teams und den Zuschauern sehr beliebt, als ihr Aus kam, verschwanden die letzten interessanten bundesweiten Amateur-Fußball Events von der Bildfläche. Alternativwettbewerbe gab es dann keine mehr. So beschränkte sich der Amateurfußball auf die regionalen Ligen, den Kreis-, Bezirks- und Landespokal. Einziger regionenübergreifender Wettbewerb ist bis heute der DFB-Pokal - an dem auch noch Amateurmannschaften teilnehmen können.Etwa parallel zu dieser negativen Entwicklung im aktiven Amateurfußball (Spieler von 18 - 32 Jahren) wurde der Altherrenfußball in Deutschland ein immer größeres Thema. Aufgrund des demografischen Wandels und der Tatsache, dass die Bevölkerung in Deutschland immer älter wird, wechselten immer mehr Fußballspieler, die das 32ste Lebensjahr erreicht hatten, in den Altherrenbereich, und dieser Trend setzt sich auch in Zukunft weiter fort. Das führte dazu, dass mittlerweile etwas 1,8 Million Fußballspieler im Altherrenbereich (Ü-32 - Ü-60) in Deutschland aktiv sind. Damit handelt es sich um eine der größten sportlich aktiven Gruppen oberhalb eines Alters von 30 Jahren.
Regionale Ligen und Pokalwettbewerbe werden von allen Landesverbänden angeboten. Bundesweite Wettbewerbe in den verschiedenen Altersklassen gab es aber bis 2006 keine. Erst im Jahr 2006 wurde der 1. Deutsche Altherren Supercup Ü32 für Fußballspieler, die das 32. Lebensjahr erreicht hatten, ins Leben gerufen.
Es wurde die inoffizielle Deutsche Ü-32 Meisterschaft. Die 22
Landesverbände des DFB entsandten ihre Landesmeister (soweit diese
ausgespielt wurden) oder spielstärksten Mannschaften zu diesem
Wettbewerb. Das rief natürlich auch die AH-Teams von Bundesligisten auf
den Plan. Die Oldies in den 1. und 2. Bundesligavereinen rüsteten
mächtig auf und verstärkten sich so, dass sie bei diesem Wettbewerb eine
gute Rolle spielen können. Ob Hertha BSC, der FC Bayern München, der SV
Hannover 96, der SV Werder Bremen oder der DSC Arminia Bielefeld, alle
hatten plötzlich ein vorrangiges Ziel: Deutscher Meister in dieser
AH-Altersklassen zu werden. Als erste Ü-32 Mannschaft war es dann 2007
Hertha BSC, die die inoffizielle Deutsche Ü-32 Meister in Achim bei
Bremen gewann.Nicht nur für die vielen Amateur AH-Teams war
dieser Wettbewerb eine willkommene Gelegenheit, sich überregional zu
präsentieren, auch die AH-Abteilungen der Bundesligisten fanden immer
mehr Gefallen an diesem Turnier. Auch für sie ist es ein neues
Betätigungsfeld, dass sie aus den grauen Alltag der Benefits- und
Freundschaftsspiele herausführt und wieder wettbewerbsmäßig Fußball
spielen läßt. 2007 startete der Deutsche Fussball Verband dann
erstmals im Berliner Olympiapark eine Deutsche Meisterschaft für Ü-40
Fussballer, den DFB-Ü40-Cup. Dieser wird an zwei Tagen am zweiten
Wochenende im September mit 10 Mannschaften (jeweils der Meister und
Vizemeister der Regionalverbände Süd, Südwest, West, Nord und Nordost)
ausgetragen. Erster Sieger wurde ganz überraschend die SG Balve/Garbeck,
ein kleiner Amateurverein aus dem Fussballkreis Arnsberg in Nordrhein
Westfalen. Die Münchner Bayern scheiterten bei der ersten Auflage
mit ihrer Ü-40 Mannschaft schon in der Vorrunde. Wiederum war es die
Berliner Hertha, die 2010 als erster Ableger eines Bundesligisten
Deutscher Ü-40 Meister wurden. Endspielgegner war der SV Hannover 96,
der 2011 dann die Trophäe gewann. Dreimal hintereinander siegten danach
die Old Boys des F.C. Hansa Rostock, die mit ihrer Traditionsmannschaft
teilnahmen. 2012 führte der DFB dann auch noch einen nationalen
Ü-50 Cup, den DFB-Ü50-Cup ein. 2014 und 2017 waren es die Veteranos des
FC Bayern München, die sich den Titel holten, und 2016 feierten die
Oldies des DSC Arminia Bielefeld die Meisterschaft.
Seit 2017
gibt es zudem noch einen Deutschen Ü-40 Pokal, als Ergänzung zum
DFB-Ü40-Cup, der nur sehr schwer zu erreichen ist (bei nur 10
Teilnehmern). Dieser Pokalwettbewerb steht allen deutschen Ü-40
Mannschaften offen. Mit den Traditionsmannschaften des VfL Wolfsburg,
des TSV Bayer 04 Leverkusen, des SC Paderborn 07 und des Halleschen FC,
sowie den Ü-40 Altliga Team des DSC Arminia Bielefeld sind namhafte
Teams am Start. Erster Sieger wurde aber kein Ü-40 Team eines
Proficlubs, sondern der Berliner Ü-40 Meister VfB Hermsdorf, ein
Amateurteam.Aufgrund der Wertigkeit dieser Wettbewerbe, entschließen
sich immer mehr AH-Abteilungen und Traditionsmannschaften von
Bundesliga-, Ex-Bundesliga- und Ex-Profivereinen dazu, teilzunehmen. Die
Oldies dieser Vereine sind hoch motiviert: Die genannten
Meisterschaften und Pokalrunden sind echte Wettbewerbe - kein Show-,
Charity- oder Freundschafts-Kick. Auch die Ex-Profis dürfen hier ohne
angezogene Handbremse spielen - sollen und müssen es sogar, da es für
sie ebenfalls ums Gewinnen und um Titel geht. Neben den sportlichen
Gründen betreiben die Oldies aber auch mit ihrem Engagement bei diesen
Turnieren positive Imagewerbung für ihre Vereine, egal ob Profi- oder
Amateurverein.
2. Die Erfolgreichsten
2.1. Hertha BSC
Die
Berliner Hertha holte sich 2007 und 2011 den Titel beim Deutschen
Altherren Supercup Ü32. Spieler wie Fredi Bobic, Marco Rehmer, Axel
Kruse und Michael Hartmann standen dabei im Team der Herthaner. 2010 holten sich die Ü-40 Oldies der Hertha den Titel beim DFB-Ü40-Cup.Meisterschaften und Pokalsiege in den Altersklassen Ü-32, Ü-40 und Ü-50 komplettieren die Erfolge der Berliner.
2.2. SV Hannover 96
Die
Ü-40 Senioren des SV Hannover 96 um die Ex-Profis Frank Hartmann, Altin
Lala und Martin Groth gewannen 2011 und 2015 den DFB-Ü40-Cup.
Meisterschaften (Ü-32, Ü-40, Ü-50) in Niedersachsen und Regionalverband
Norddeutschland runden das Erfolgsbilanz ab.
2.3. FC Bayern München
Die
Ü-40 Senioren des FC Bayern München konnten zwar schon dreimal die
Süddeutsche Meisterschaft und etliche Ü-40 Landesmeistertitel von Bayern
erringen, ein Sieg beim DFB-Ü40-Cup blieb ihnen bisher noch verwehrt.
Dafür sorgten aber die Ü-50 Veteranos um Spieler-Trainer Dieter
Bernhardt (Bernhardt wurde übrigens als Spieler des SC Fürstenfeldbruck
von DFB-Trainer Erich Ribbeck 1979 in die Deutsche
Amateurnationalmannschaft berufen, in der er drei Spiele bestritt). 2014
und 2017 sicherten sich die Ü-50 Bayern den Titel beim DFB-Ü50-Cup.
2.4. DSC Arminia Bielefeld
Erstmals
in der 110-jährigen Clubgeschichte durfte der DSC Arminia Bielefeld
einen deutschen Meistertitel bejubeln. Die Ü-50 spielte sich bei der
Endrunde 2015 um die deutsche Meisterschaft, den DFB-Ü50-Cup, in Berlin
in die Geschichtsbücher. Die Ü-40 nahm 2018 als Westdeutscher Ü-40
Vizemeister am DFB-Ü40-Cup teil, scheiterte aber bereits in der
Vorrunde.
3. Die Traditionsmannschaften
3.1. VfL Wolfsburg Traditionsmannschaft
Die
Traditionsmannschaft des VfL Wolfsburg nahm 2017/2018 am erstmals
eingeführten Deutschen Ü-40 Pokal teil. Im Viertelfinale kam für die
Wölfe um Roy Präger, Detlev Dammann, Peter Kleeschätzky und Frank Plagge
sowie Teamchef Holger Ballwanz das Aus. Ohne Antrittsprämie, wie sonst
bei Benefizspielen und Freundschaftsspielen von Traditionsmannschaften
üblich, meldeten sich die Wolfsburger zu diesem Wettbewerb an und
spielten sich ins Viertelfinale. Trotz des überraschenden Ausscheidens
bei der SG Giessen/Großen-Linden beurteilten sie den Wettbewerb als
hervorragend organisiert und vom Niveau her ausgezeichnet, und sie
meldeten sich auch für die 2. auflage 2018/2019 wieder an.
3.2. TSV Bayer 04 Leverkusen Traditionsmannschaft
2018/2019 haben sich die Ex-Profis von Bayer 04 Leverkusen zum Deutschen Ü-40 Pokal angemeldet.
Als
Westdeutscher Vizemeister 2018 sind sie 2019 erstmals für den
DFB-Ü40-Cup qualifiziert. Die Leverkusener um Jens Nowotny, Carsten
Baumann, Marcus Feinbier und Mike Rietpietsch nutzen den Deutschen Ü-40
Pokal als willkommene Vorbereitung auf die Meisterschaft in Berlin.
Zudem wollen sie aber auch den Pokal gewinnen. Ebenfalls ohne
Antrittsprämie gehen die Kicker vom Rhein im März in die 2. Runde des
Deutschen Ü-40 Pokals.
3.3. SC Paderborn 07 Traditionsmannschaft
2017/2018
scheiterten die Paderborner im Deutschen Ü-40 Pokal bereits in der 1.
Runde beim Underdog SV Blau-Weiß Dingden. Bei der zweiten Auflage wollen
sie es jetzt besser machen und den Pokal holen. Den Auftakt machten die
Ex-Profis aus Paderborn beim SV 04 Attendorn, dass sie mit 1:0
gewannen. Die Teilnahme ist für die Paderborner bereits „Ehrensache" -
als Gründungsmitglied sind sie immer ein gern gesehener Teilnehmer an
diesem Wettbewerb, den auch sie ohne Antrittsprämie spielen.
3.4. Hallescher FC
Dem
Halleschen FC ereilte das gleiche Schicksal wie dem SC Paderborn 07.
Beim ersten Auftritt im Deutschen Ü-40 Pokal unterlagen sie dem späteren
Sieger VfB Hermsdorf mit 0:3. Die Traditionsmannschaft des HFC vereint
zahlreiche Spieler der letzten Jahrzehnte, welche die Geschichte des HFC
geprägt haben, in einer Mannschaft. Angeführt von Bernd Bransch
umfasst der Spielerkader derzeit ca. 30 aktive Spieler. Punktuell tragen
zudem ehemalige Fußballgrößen wie Darius Wosz oder Steffan Karl das
rot-weiße Trikot der HFC-Traditionsmannschaft.
Die
HFC-Traditionsmannschaft ist seit Jahren auf Sportwochen, bei
Vereinsjubiläen und Benefizspielen in der Umgebung sowie im sowie im
weiteren Umkreis von Halle aktiv und macht auch heute noch die
Geschichte des HFC lebendig. Auch sie spielen selbstverständlich ohne
Gage beim Deutschen Ü-40 Pokal mit.
4. Die Aufstrebenden
4.1. TSV 1860 München
Die
A-Senioren (Ü-32 Alte Herren) in der Fußballabteilung des TSV 1860 sind
fußballbegeisterte Senioren, die zweimal die Woche (am Mittwoch und
Freitag um 20 Uhr) an der Grünwalder Straße trainieren. Die „Liga-AH"
nimmt seit zwei Jahren auch am Senioren-A-Spielbetrieb (Ü32) des
Bayerischen Fussball Verbands teil. Die „Löwen" mußten in der untersten
Klasse, der A-Klasse anfangen. 2017/2018 wurden sie Dritter. In dieser
Saison konnten sie dann die erste Meisterschaft und den Aufstieg in die
Kreisklasse feiern.
Ziel der Oldies von 1860 ist die Ü-32 Oberliga
München. Dort dominiert augenblicklich der FC Bayern München, die
Konkurrenz. Ein Derby gegen die Bayern um Punkte oder im Pokal wäre für
die 1860er ein großes Anliegen.
4.2. TSV Eintracht Braunschweig
Die
Ü-32 Senioren des TSV Eintracht Braunschweig spielen in der
zweithöchsten Ü-32 Liga des Fussballkreises Braunschweig. In der
1.Kreisklasse belegen sie nach Ablauf der Herbstrunde Platz 6. Mit nur
vier Punkten Rückstand auf Platz 3 haben die Blau-Gelben in der
Frühjahrsrunde noch alle Chancen, den Aufstieg zu realisieren. Ziel der
Braunschweiger ist erst einmal der Aufstieg in die Kreisliga - danach
schielen die Kicker von der Oker natürlich auf die
Niedersachsenmeisterschaft.
4.3. Spvgg Greuther Fürth
Die
Oldies (Ü-32) der SpVgg Greither Fürth nehmen an keinem
Ligaspielbetrieb teil. In der Region Nürnberg/Fürth und in Mittelfranken
bestreiten die Fürther Freundschaftsspiele gegen AH-Teams der Region.
Dabei sind sie aber sehr erfolgreich: Seit 2016 bis heute haben die
AH-Kicker vom Ronhof in 53 Spielen auf Großfeld nur vier verloren und
fünfmal Unentschieden gespielt. 44 Siege stehen auf der Habenseite, und
das gibt schon bestens Auskunft über die Qualität dieses Teams. In
absehbarer Zeit sollte eine Teilnahme der Kleeblätter an einem
bundesweiten Wettbewerb anstehen.
5. Unterstützung der Wettbewerbe
Die
genannten Wettbewerbe sind mittlerweile Meisterschaften und
Pokalrunden, die von allen deutschen AH-Mannschaften und auch von den
Traditionsmannschaften der Profis geschätzt und frequentiert werden. Ca.
26.000 Mannschaften im AH-Bereich existieren, und immer mehr dieser
Teams nehmen an den bundesweiten Wettbewerben teil. Die
AH-Ü-Fusballmannschaften sind in der Regel ein Konglomerat von Akteuren,
deren Alter zwischen 32 und 60 Jahren liegt. Sie bilden meistens eine
intelligente, gut ausgebildete und kaufkräftige Zielgruppe, die in allen
Berufsgruppen unseres Landes vertreten ist.
Ob Automobil-,
Sportartikel-, Arzneimittel- oder Nahrungsergänzungshersteller,
Finanzdienstleister, Versicherungen, Krankenkassen, Brauereien und viele
andere Unternehmen können diese Zielgruppe der „Best Ager" über
Unterstützung der Wettbewerbe erreichen und für sich gewinnen.
Sponsoren, die das Potential und die Bedeutung des Amateur AH-Fussballs
erkennen und für sich nutzen, können sich da einen Markt erschließen,
der in der Vergangenheit kaum oder gar nicht genutzt wurde.
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