AH-Fussball - Mehr als ein Vergnügen/Tummelplatz für Dickbäuche und Trainingsfaule

AH-Fussball in Deutschland genießt mittlerweile einen guten Ruf - die Mär von übergewichtigen Fussballspielern war einmal!


Gliederung:


a) Einleitung (Allgemeines zum AH-Fußball in Deutschland und den Protagonisten)
b) Entwicklung des AH-Fußball im neuen Jahrhundert
c) Interessante Geschichten von deutschen AH-Teams
d) Erfolge, die während der aktiven Zeit nicht möglich gewesen wären
e) Schlussbetrachtung


a) Einleitung (Allgemeines zum AH-Fußball in Deutschland und den Protagonisten)


Fußballspielen im fortgeschrittenen Alter (Ü32 - Ü-70) wird in Deutschland Altherren-Fußball, kurz AH-Fußball genannt. Lange Zeit, bis etwa zum Millenniumwechsel, wurde der AH-Fußball mit Übergewichtigkeit und Trainingsabstinenz in Verbindung gebracht. Getreu dem Motto „Dicke Bäuche - dünne Beine". AH-Fußball, das hörte sich nach Bierbäuchen, wenig Haupthaar, Atembeschwerden und langweiligem Fußball an. Ein solch drastisch gezeichnetes Bild findet jedoch mit der Realität des organisierten Spielbetriebs von Altherren-Mannschaften seit langer Zeit keine Übereinstimmung mehr. Die AH-Fußballer bilden mittlerweile eine überdurchschnittlich engagierte Gruppe, die regelmäßig trainiert und an den Wochenenden sowie während der Woche ihre Spiele austrägt. Zudem unterstützen sie auch noch den Ligabetrieb der 1. und 2. Mannschaften, und sie sind ehrenamtlich in ihren Vereinen engagiert.  Fußballspielen ist für die „Oldies" eine in den Alltag integrierte und langfristig angelegte Sportpraxis. Meistens haben sie in Juniorenmannschaften, der 1. Mannschaft sowie noch der 2. Mannschaft ihres Vereines gespielt. Spieler mit einer solchen "Karriere" waren teilweise 20 oder gar 30 Jahre am Ball. Beenden sie mit 32 Jahren aufwärts ihre Laufbahn schließen sie sich häufig einer AH-Mannschaft an.
„Der Altherren-Fußball erlebt einen Boom", erläuterte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach schon 2013, „das ist zum Einen der demografischen Entwicklung in unserem Land geschuldet; aber auch dem Sportgeist vieler Menschen in schon etwas fortgeschrittenem Alter." Für den DFB stellen daher die Fußballer Ü-32 bis Ü-70 eine immer wichtiger werdende Zielgruppe dar, denn demographisch gesehen sind die Deutschen auf dem Weg zu einer immer älter werdenden Gesellschaft. Das geht aus aktuellen Bevölkerungsdaten der Statistischen Landesämter hervor, und diese Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur wirken sich auch auf die Fußballvereine des DFB aus.
Laut der Mitgliederstatistik des DFB vom 01. Januar 2020 sind in den 21 Landesverbänden 7.169.327 Menschen gemeldet. Damit ist der DFB der größte nationale Sport-Fachverband der Welt.1,8 Millionen Fußballspieler sind dabei im Altherrenbereich (Ü-32 - Ü-70) aktiv, dass sind rund 25 % der gesamten DFB-Mitgliederzahl.
Eine große Anzahl von AH-Mannschaften sind im Rahmen von Wettbewerben, die unter dem Dach des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) organisiert sind, immer noch am Ball. Der Rest geht in selbstorganisierten Freundschaftsspielen und Wochenendturnieren seiner Passion, dem Fußballspielen, nach. Diese Protagonisten trotzen allen Witterungseinflüssen und begeben sich auf den (Kunst-) Rasen oder Hartplatz, um König Fußball zu zelebrieren. Wo andere Männer in diesem Alter schon eine Dauerkarte fürs Sofa reserviert haben, tragen diese Mannen den Willen zum Fussball-Wahnsinn noch in sich. Ob im Frühling, wenn die Vögel zwitschern, im Sommer unter gleisender Sonne, im Herbst, wenn bei wehenden Wind der Ball flach gehalten wird, oder im Winter, bei -22,5 Grad im Schatten. Diese Kicker  ziehen aufs Feld, um sich im Zweikampf zu messen, den Ball laufen zu lassen und eine nach der anderen fantastischen Kombinationsstafette auf die grüne Fläche zu zaubern. Mit dem guten Gewissen im Nacken, etwas für die Gesundheit und die „Rettung der Welt" getan zu haben, geht es im Anschluss daran, in das Clubhaus um die trockene Kehle mit einem kühlen Hellen zu benetzen.

 

b) Entwicklung des AH-Fußball im neuen Jahrhundert

Die Situation des „Altherren-Fußballs" in Deutschland stellt sich bislang eher heterogen dar: Während in vielen Landesverbänden (z.B. Berlin, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Bayern) bereits ein gut funktionierender (Punkt)Spielbetrieb mit verschiedenen Leistungsklassen sowie Auf- und Abstiegen aufgebaut wurde, beschränken sich die Spielmöglichkeiten in den anderen Bundesländern auf Freundschaftsspiele, selbst organisierte Spielrunden oder Pokalturniere, die in den meisten Landesverbänden auf Kreis- und Landesebene ausgetragen werden. Auch bezüglich der Festlegung der Altersklassen (Ü-32, Ü-35, Ü-40, Ü-45, Ü-50, Ü-60, Ü-70) oder der Organisationsform (Großfeld- oder Kleinfeldspiele) zeigen sich zwischen den Landesverbänden deutliche Unterschiede. In Deutschland gibt es keine einheitliche Regelung, wann ein Fußballer zu den „Alten Herren" gehört. Im Sport allgemein werden männliche Akteure, die über 30 Jahre alt sind, als „Alte Herren" apostrophiert.Im Vordergrund steht bei ihnen der Spaß und die Freude am Fußballsport. Gespielt wird nach den offiziellen Fußballregeln. Allerdings werden einige Ausnahmen gemacht: So ist die Spielzeit in der Regel verkürzt. Die Anzahl der Auswechselspieler ist nicht begrenzt. Es darf auch „fliegend" gewechselt werden. Das bedeutet, dass keine Spielunterbrechung abgewartet werden muss, um einen Spieler auszuwechseln. Auch darf ein Spieler, der ausgewechselt wurde, wieder eingewechselt werden. Durch die Einführung der DFB-Ü40/Ü50 Cups (2007/2013) durch den DFB, den Deutschen AH-Supercup Ü32 (2006 - Privatinitiative) und dem Deutschen Ü-40 Pokal (2017 - Privatinitiative) wurden für die AH-Fußballer Wettbewerbe geschaffen, die über den regulären Liga-/Freundschaftsspielbetrieb hinaus für die Spieler attraktiv und für die Zuschauer interessant sind - und die hervorragend angenommen wurden. Es sind bundesweite AH-Wettbewerbe, die an die Stelle früherer überregionaler Amateur-Meisterschaften (wie der Deutschen Amateurmeisterschaft und dem Amateurländerpokal, die bis Ende des letzten Jahrhunderts ausgespielt wurden und sich großer Beliebtheit erfreuten) getreten sind und nun dem AH-Fußball eine neue Attraktivität verleihen. So hat sich der AH-Fußball in den letzten Jahren auf gewisse Weise zum „Herz des Amateurfußballs" entwickelt. Aber nicht nur die Spiele um Pokale und Meisterschaften in Deutschland machen den AH-Fußball für die Oldies über 32 Jahren wieder interessant, es sind auch Auslandsreisen die AH-Teams eigenständig organisieren. Dort treten sie gegen einheimische Mannschaften an und tragen zur Völkerverständigung bei.   

c) Interessante Geschichten von deutschen AH-Teams

Am Beispiel der AH der DJK Schwabsberg/Buch, aus dem Landesverband Württemberg, wollen wir einmal aufzeigen, was durch Eigeninitiative und Kontakte in dieser Altersgruppe noch zustande kommen kann. Die DJK Schwabsberg/Buch ist ein Verein aus der Bezirksliga Ostwürttemberg (8. Klasse), der seit vielen Jahren eine gut organisierte und funktionierende AH-Abteilung hat. Das Team hat mit Heiko Gotschke (ehemaliger U21-Nationalspieler der DDR und Ex-Profi bei LOK Leipzig in der DDR-Oberliga) und Thomas Freller (ehemaliger Gastspieler in der 2. maltesischen Liga) zwei Spieler in seinen Reihen, die auch schon höhere fußballerische Weihen erfahren haben. Der Großteil des Team setzt sich aber aus Spielern zusammen, die in der Landes- und Bezirksliga aufgelaufen sind und die schon seit vielen Jahren zusammen spielen. Das sportliche Highlight der letzten Jahre war für die Old Boys aus Ostwürttemberg ohne Frage die „Länderspielreise" im November 2015, nach Malta. Die Idee des „Länderspiels" zwischen dem 1.500 Seelen-Dorf auf der Ostalb und den Inselstaat Malta entstand 2014 beim 50. Geburtstag des AH Spielers Dr. Thomas Feller, der 15 Jahre auf Malta lebte und neben seiner Fußballkarriere in Maltas 2.Liga als Dozent an den Universität von Malta tätig war. Er und seine Sportkameraden saßen mit dem Botschafter Maltas in Deutschland Dr. Albert Friggieri, der ebenfalls Gast bei der Geburtstagsfeier war, zusammen. Nach guten Gesprächen über das Lieblingsthema Fußball und einer feucht fröhlichen Feier wurde im Laufe es Abends die Frage gestellt, „wie wäre es einmal mit einem Länderspiel ?". Aus der Scherzfrage entwickelte sich dann eine Geschichte, die wohl nur im AH-Fußball möglich ist. Dr. Friggerie informierte im Januar 2015 das maltesische Sportministerium darüber, dass die Oldies der DJK einen Gegner auf Malta für ein sogenanntes „Länderspiel" suchten. Der Fußball-Verband Maltas zeigte sich interessiert, und so wurden zwei Spiele für November 2015 gegen eine Ü-30 Ex-Profiauswahl Maltas, mit sieben Ex-Nationalspielern und einer Auswahlmannschaft des maltesischen Sportministeriums geplant. Das Kuriose an den beiden Spielen, sie sollten beide am gleichen Tag stattfinden. Das war für die Kicker aus Schwabsberg/Buch aber auch kein Problem, hatten sie doch einen 27 Mann starken Kader für die Maltareise zusammengestellt. Das Spiel gegen die „Ü-30 Nationalmannschaft" von Malta fand im Centenario Stadion, das ca. 3.000 Zuschauer fasst, statt. Gegen die Auswahlmannschaft des Sportministeriums wurde dann im Luxol Sports Ground gespielt. In beiden Stadien sind die Spielfelder aus Kunstrasen, was für die Oldies von der Ostalp zudem Neuland war. Die Verantwortlichen der AH der DJK informierten daraufhin den DFB und die Gemeinde Rainau, zu denen die Orte Schwabsberg und Buch gehören sowie die Landesregierung von Bad Württemberg, und die zeigten sich aufgrund dieser einmaligen und ungewöhnlichen Aktion geberfreundlich. Von der Landesregierung gab es 10 Fußbälle, die Gemeinde Rainau stiftete einen Zinnteller als Gastgeschenk, aber den Vogel schoss der DFB ab. Angetan vom Ideenreichtum und der Eigeninitiative der Schwabsberg/Buch Old Boys rüsteten sie das Team mit DFB-Wimpeln und komplett mit Nationaltrikots aus. Mit dem Bundesadler auf der Brust ging es dann in die Partien gegen die Malteser. Gegen die „Ü-30 Nationalmannschaft" Maltas mussten die Mannen von der Ostalb, die einen Altersdurchschnitt von fast 50 Jahren hatten, trotz heftiger Gegenwehr eine 0:7 Niederlage einstecken. Mit dem Mannschaftsbus ging es danach gleich weiter ins Luxol Stadion. Auch die Auswahl des Sportministeriums von Malta hatte wieder vier Ex-Nationalspieler in seinen Reihen und war im Durchschnitt jünger als der Gegner aus Deutschland. Auch dieses Spiel wurde mit 0:1 verloren, aber die Oldies der DJK Schwagsberg/Buch hatten sich bestens verkauft. Beide Spiele wurden vom maltesischen Fernsehen aufgezeichnet ebenso wie die Ankunft am Flughafen, wo sie von Maltas Sportminister Chris Agius empfangen wurden. „So etwas erlebt man mit Sicherheit nur einmal", erinnert sich AH-Abteilungsleiter Achim Vogler. Doch die Oldies von der Ostalp legten 2017 noch einem drauf. Bei der Malta Soccer Trophy 40+ im Februar traten sie neben neun weiteren Ü-40 Teams aus der Schweiz, Deutschland und der Ü-40 Nationalmannschaft von Malta an. Dort scheiterten die DJKler schon in der Vorrunde. Mit der SG Hoechst Classique, die in diesem Jahr im September in Berlin Deutscher Ü-40 Meister wurde, und dem mehrmaligen Norddeutschen Ü-40 Regionalmeister TSV Reinbek, trafen sie auf zwei deutsche Ü-40 Spitzenteams. Gegen die Hoechster unterlagen sie 0:3 und gegen Reinbek mit 0:2. Am Ende belegten sie bei diesem Ü-40 Turnier Platz 9, noch vor dem Schweizer Team BSC Old Boys Basel, und wieder hatten die Kicker der DJK ihren Verein und ihre Gemeinden würdig vertreten. 

d) Erfolge die während der aktiven Zeit nicht möglich gewesen wären


Im hohem Fußballeralter, als AH-Kicker, erleben viele Fußballer, die über 32 Jahre alt sind, nun noch richtige sportliche Highlights, die sie in ihrer Jugend- und Aktivenzeit nie erlebt haben. Seien es die Siege bei der Kreis-, Bezirks- oder Landesmeisterschaft oder bei Pokalwettbewerben. Siege bei Regionalmeisterschaften oder gar bei den Deutschen Meisterschaften im Berliner Olympiapark sind für sie nun möglich. Die Beispiele hierfür sind: Die SG Balve-Garbeck, der TSV Lesum-Burgdamm, der TSV Bergrheinfeld, die SG Hoechst Classique, die SG Mittelmosel/Leiwen, der VfB Hermsdorf (Ü-40 Mannschaften) und der FC Hennef 05, die SG Neuhausen-Cämmerswalde/Deutschneudorf sowie die NSF Gropiusstadt Berlin (Ü-50 Mannschaften). All diese Erfolge wären nicht möglich gewesen, wenn nicht der Teamgeist, der Zusammenhalt und die Freundschaft im und um das Team gestimmt hätten. Das alles sorgt für Spaß, Begeisterung und unvergessliche Momente und macht das Dabeisein in einer solchen  AH-Mannschaft so außergewöhnlich und einzigartig. Und trotzdem sind für viele Amateurvereine die AH-Mannschaften oft nur ein Anhängsel (Beiwerk) neben den Aktiven- und Jugendmannschaften. Nicht selten kommt es vor, dass diese Teams nicht einmal auf den Webseiten der Vereine geführt werden. Dabei haben gerade diese Mannschaften oft viel bessere Möglichkeiten einen Verein werbewirksam nach Außen zu vertreten als die genannten Aktiven- und Jugendmannschaften. Durch Benefizspiele, Teilnahmen an Meisterschaften und Pokalwettbewerben haben diese Mannschaften beste Möglichkeiten, auf sich aufmerksam zu machen und ihren Verein regional und überregional werbewirksam zu präsentieren. Aber nicht nur die Amateurvereine profitieren von gut organisierten AH-Abteilungen, auch Hertha BSC, SV Hannover 96, F.C.Hansa Rostock, FC Bayern München und DSC Arminia Bielefeld kamen mit ihren Ü-40 und Ü-50 Mannschaften bereits zu Meisterehren und schrieben so positive Schlagzeilen für ihre Vereine. Egal ob Amateur- oder Profiverein, durch die Aktivitäten ihrer Oldies wird das Image all dieser Vereine positiv mitgestaltet und der Bekanntheitsgrad - vorwiegend bei den Amateurvereinen - gesteigert. Daher sollten Vereine ihre AH-Abteilungen unterstützen, fördern und eventuell neu aufbauen als Hilfe zur Selbsthilfe. 

e) Schlussbetrachtung

Im UEFA-Magazin, Ausgabe April/Mai 2020 in dem ein Bericht über den Seniorenfußball (AH-Fußball) in Europa veröffentlicht wurde, wird darauf hingewiesen, dass er sich wachsender Popularität erfreut und immer ältere Spieler ihrem Lieblingssport treu bleiben. Für jeden Fußballer kommt unabhängig von seinem Niveau der Moment, in dem er seine Stollen an den Nagel hängen muss. Dank des Wachstums des AH-Fußballs in ganz Europa gibt es heute glücklicherweise mehr Möglichkeiten denn je, diesen Moment hinauszuzögern. Ob ehemalige Profis, Amateure oder Bolzplatzkicker - in zahlreichen europäischen Ländern wird Seniorenfußball bei Männern zwischen 30 und 70 Jahren immer beliebter. In Dänemark, England, Schweden, den Niederlanden, Russland, Slowenien, Ungarn, Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Slowenien steigen in den letzten Jahren die Teilnehmerquoten bei den Fußballern über 30 Jahren, die sich  AH-Mannschaften anschließen. Die Zahl der Aktiven in den höheren Alterskategorien (Ü-30) wächst, sodaß auch von einer entsprechenden Zunahme nationaler und internationaler Seniorenwettbewerbe ausgegangen werden kann.
Es besteht auch der Wunsch nach mehr internationalen Wettbewerben. Die Autoren der  Studie sprechen diesbezüglich vom "Ziel, durch mehr Wettbewerbe und Auslandsreisen für mehr Internationalität zu sorgen."(Quelle: UEFA-Magazin, Ausgabe April/Mai 2020).
Die „European Senior Football Trophy 40+", die für das Jahr 2021 auf Mallorca als Großfeldturnier für Fußballer die das 40. Lebensjahr erreicht oder überschritten haben, geplant ist, könnte bereits ein erster Schritt in diese Richtung sein.